Weinstrasse/Elsaß 2014

Colmar Fachwerkhaus1

Endlich war es wieder so weit! Fahrradurlaub! Natürlich ist der Zug ab Köln wieder nicht pünktlich. Aber wir sind das gewöhnt und mit einer guten halben Stunde Verspätung geht es ab an die Weinstraße. In Bingen müssen wir umsteigen, und ich vergesse den Rucksack mit allen wichtigen Unterlagen im Zug. Auf dem Bahnsteig, der Zug ist noch da, bemerke ich das und springe zurück in unser Abteil. Auf unserem Platz liegt kein Rucksack und Mitreisende erklären mir, dass „ein Mann mit kurzen Hosen“ den Rucksack an sich genommen hat. Wieder zurück auf den Bahnsteig, aber da steht kein Mann mit kurzen Hosen, da steht nur der Zug, der uns Richtung Neustadt bringen soll. Also rein in den Zug, und ich finde den Mann, allerdings ohne meinen Rucksack. Den habe er beim Zugführer abgegeben und in dem Moment fährt unser Zug aus Köln weiter nach Mainz.Ein Anruf bei der Fundstelle der DB führt zu der Erkenntnis, dass vor Montag gar nichts passieren wird. Ein auf dem Bahnsteig wartender Bahnbeamter gibt uns den Tipp, in Mainz beim Info-Point anzurufen, denn dort müsse der Rucksack abgegeben werden.

Hambacher SchlossKurz vor Neustadt

Noch besser wäre es, mit dem nächsten Zug nach Mainz zu fahren um dort den Info-Point aufzusuchen. Gesagt getan. In Mainz befrage ich den Lokführer, wo er den Rucksack suchen würde, denn der Info-Point hat nichts bekommen. Der gute Mann erklärt mir, dass der Lokführer des vorhergehenden Zuges sein persönlicher Freund sei und den wolle er sofort anrufen. Das Telefongespräch führt zu der Erkenntnis, dass der Rucksack nun in Koblenz liegt. Für heute war es zu spät, noch nach Koblenz zurück zu fahren und wir fahren nun erst mal mit dem Zug durch Rheinhessen nach Grünstadt, unserem Zielort. Unser Appetit war auf pfälzische Spezialitäten gerichtet. Wir sind dann aber doch froh, beim einzigen, nicht geschlossenen Lokal, ein „Grieche“, gegen 20.00 h, einen freien Tisch zu finden. Die Mannschaft war freundlich, aber total überfordert. Gegen 22.30 h bekam Sonja dann ihr Essen, und erst eine Stunde später konnten wir bezahlen.

WeintraubenselbstbedienungBrunnen in der Pfalz

Es ist Sonntag und vor 10.00h kann man bei der Bahn nicht anrufen. Mit viel Trickserei gelingt es mir, die Telefonnummer des Info-Point Koblenz herauszufinden. Diese Nummern werden von der DB geheim gehalten, die Leute sollen gefälligst die gebührenpflichtigen Nummern der DB anrufen, was am Sonntag aber keinen Sinn macht. Ein Anruf bestätigt, der Rucksack liegt in Koblenz. Ein Taxi bringt mich hin und zurück. Um 15.00h können wir endlich Richtung Neustadt starten, und schon nach 30 Minuten müssen wir für fast eine Stunde unter einem Baum Schutz vor kräftigen Gewitterregen suchen. Wir schaffen also nur 15 km und suchen dann den Bahnhof in Freinsheim auf. Der Fahrkartenautomat hat seinen schlechten Tag und will mir nur eine Fahrkarte nach Neustadt an der Aisch für 96,60 € verkaufen. Alle Eingaben löschen und neu eingeben führt immer wieder zum gleichen Ergebnis. Jugendliche, die meine Bemühungen amüsiert beobachten, erklären mir, das sei normal und der Automat sei kaputt. Patschnass und frierend beschliessen wir, den Zug, der gerade einläuft, ohne Fahrkarte zu besteigen. Im Zug dann ein Kontrolleur, der von uns 80,00 € wegen Schwarzfahren haben will. Nun entspannt sich eine bis Neustadt andauernde sehr lebhafte Diskussion über die DB, die Fahrkartenautomaten, Schwarzfahrer und Rentner, die „zu blöd sind“ den Automaten zu bedienen. Schliesslich gelingt es uns, nur den regulären Fahrpreis zu entrichten und sind auch schon in Mußbach, einem Vorort von Neustadt. Unser Quartier im Weingut Völkner ist schön geräumig und bietet in seiner Weinschenke Pfälzer Spezialitäten an, also auch Saumagen. www.weingut-voelcker.de/

TraubendiebNeustadt_Altstadt

Der nächste Morgen dann Frühnebel, aber es scheint trocken zu bleiben. Tatsächlich hatten wir die ganze Woche über herrliches Fahrradwetter. Wir radeln nach Neustadt und finden eine hübsche Altstadt vor. Hier trinken wir Kaffee. Weiter Richtung Süden, aber nicht auf dem offiziellen Radweg, sondern auf Radwegen, die nicht jeden Hügel mitnehmen. Es war herrlich! Wir fahren stundenlang durch Rebengärten, am Hambacher Schloss vorbei und finden sogar eine „Selbstbedienungs-weintraubenverkaufsstelle“. Hier kann man in verschiedenen Kulturen selber Reben pflücken, an einer aufgestellten Waage abwiegen und für 1,-- €/kg bezahlen und mitnehmen. Probieren ist kostenlos. Lecker!

Gegen Mittag werden jedoch auch auf dem „leichten Radweg“ die Hügel und Täler immer grösser und erst um 14.30 h finden wir einen Supermarkt, um uns zu stärken. Leider haben wir in gut 5 Stunden erst 25 km geschafft und zwei Hügel, mit den dazugehörenden Tälern, liegen noch vor uns. Wir beschliessen, nach Landau zu fahren und von dort mit dem Zug weiter nach Winden. Hinter dem Supermarkt beginnt ein Radweg, der uns direkt zum Bahnhof nach Landau bringt. Schnell kommt ein passender Zug, und im Zug treffen wir dann den Kontrolleur von gestern, diesmal mit Fahrkarten. Es ist ihm offensichtlich sehr peinlich, als wir ihn mit grossem Hallo freundlich begrüßen und ihn fragen, ob er denn der einzige Kontrolleur der Bahn sei.

Wissembourg AltstadtLautertal

Von Winden aus sind es noch mal 10 km bis Kapellen-Drusweiler. Dort haben wir in der „Hopfestubb“ einen Tisch gebucht. Sehr leckeres Essen zu auskömmlichen Preisen. Ein echter Erfolg.www.hopfestubb.de/ Am Frühstückstisch treffen wir auf Radler, die uns vor der geplanten Weiterfahrt über Bad Bergzabern nach Wissembourg warnen. Die beiden waren gut trainiert, deutlich jünger, ohne Gepäck, hatten aber trotzdem erhebliche Probleme mit den Steigungen.

Also mit dem Rad nach Winden zurück, diesmal auf einem herrlichen Radweg und von dort überlassen wir den Aufstieg nach Wissembourg der DB. Wissembourg entpuppt sich als moderne Stadt mit einer sehr schönen und gemütlichen Altstadt. Hier treffen wir dann auch zum ersten Mal auf diese Konditoreien/Patisserien, die unheimlich leckere Kreationen anbieten, denen wir nicht widerstehen können. Weiter geht es über den Lautertalradweg nach Neuburg am Rhein. Die Fahrt ist angenehm, optimales Radelwetter, immer wieder durch Wälder, an Wiesen und kleinen Ortschaften vorbei bis Lauterbourg. Von hier aus wollen wir morgen mit dem Zug nach Straßburg.

Strassburg_Petit Paris_2Colmar Hinterhof

Wir möchten schon mal die Fahrkarten am Automaten lösen. Der ist allerdings französischer Bauart, aber Dank Sonja’s Sprachkenntnissen und übergroßer Geduld gelingt es uns, dem Automaten die Fahrkarten zu entlocken. Weiter nach Neuburg. Die Zimmervermieterin hatte mir mitgeteilt, dass es 10 Minuten vom Bahnhof bis zum Hotel seien. Tatsächlich fahren wir fast 10 km und benötigen 40 Minuten über mehrere kleine Hügel hinweg. Nach langer Herumfragerei stellt sich dann heraus, dass zwischen Lauterbourg und Neuburg ein Zug fährt, der bei meinen Fahrplanrecherchen nie in Erscheinung trat. Offensichtlich möchte die DB nicht, dass man von Neuburg aus über Lauterbourg nach Straßburg fährt, 11,40 € bei gut einer Stunde Fahrzeit, sondern über Karlsruhe/Kehl, 2.30h Fahrzeit bei 31,40 € plus Fahrradkarte.

Am nächsten Morgen erreichen wir pünktlich unseren Zug nach Straßburg und dort angekommen, stellen wir unsere Räder und das Gepäck im Hotel Cathedrale ab, direkt am Straßburger Münster. www.hotel-cathedrale.fr/Es gibt unheimlich viel zu sehen. Nachdem wir den Markt mit seinem vielseitigen Angebot besichtigt haben, unternehmen wir eine Stadtrundfahrt mit „Batorama“, 1,5 Stunden auf dem Wasser, rund um Straßburg, ein echtes Erlebnis. http://www.batorama.fr/ Später besichtigen wir zu Fuß „Petite France“, einen sehr alten Stadtteil mit gut erhaltenen Fachwerkhäusern. Wir essen in einem typischen Touristenlokal, Burger mit Pellkartoffeln 13,50 €; Nudeln mit Pilzsauce ebenfalls. „Richtiges Essen“ ist nicht unter 20,00 € zu haben. Am frühen Abend suchen wir unser Hotel auf und finden uns in einem winzigen Zimmer wieder, das kaum Platz für unsere Packtaschen bietet. Wir hatten für das Abendessen in einem sehr gut bewerteten Lokal einen Tisch gebucht, aber das Lokal hatte geschlossen, irgendwelche Mistverständnisse mit dem Datum stand an der Türe. Wir versuchten es in einem Lokal direkt neben dem Hotel und wurden nicht enttäuscht.

Straßburg ältestes FachwerkhausWissembourg_Brunnen

Der nächste Tag soll uns nach Colmar führen und schnell finden wir den Einstieg in den „Rhein-Rhone-Kanal“. Der führt von Straßburg über Colmar, Mulhouse bis Basel, von Mulhouse aus nach Dijon und von da weiter ans Mittelmeer. Der Kanal ist fast durchgängig mit einem Radweg und Bäumen versehen, also auch bei großer Hitze angenehm zu befahren.

Nach gut 22 km finden wir das erste Hinweisschild „Colmar 58 km“. Sonja streikt und erklärt mir, dass sei ihr zu weit, wir würden dann auf über 80 km kommen, und das würde sie nicht schaffen. Wir verlassen also den Kanal und finden im Örtchen Erstein einen Italiener, bei dem wir sehr gut essen und ausruhen können. Zwischenzeitlich hatte ich herausgefunden, dass man von hier aus auch mit dem Zug nach Colmar fahren kann und wir suchen den Bahnsteig, der einige Kilometer außerhalb der Stadt liegt. Leider müssen wir fast 2 Stunden auf den Zug warten, aber gegen 16.00 h erreichen wir dann Colmar. Ich habe kein sauberes T-Shirt mehr, und wir besuchen als erstes die Altstadt, auf der Suche nach XXL-Shirts. Wir bekommen einen ersten Eindruck von dieser wunderschönen, blumengeschmückten Stadt und beschliessen, den nächsten Tag mit Besichtigungen in Colmar zu verbringen. Unser Hotel finden wir schnell. Es liegt an einer stark befahrenen Hauptstraße, aber wir haben Glück und bekommen ein Zimmer „hinten raus“. Der Rezeptionist empfiehlt uns zum Abendessen das „St. Pierre“, direkt am Flüsschen Lauch. lecaveausaintpierre-colmar.com/ Wir wurden nicht enttäuscht. Total romantisch, gutes Essen und ein Nachtisch, der mich vor große Probleme stellt. Aber die Profiteroles schaffte ich dann doch noch.

Restaurant St. PierreRhein-Rhone-Kanal1

Der nächste Morgen beginnt mit einem sehr guten Frühstück, Sonnenschein und freudiger Erwartung auf Colmar. Das Gepäck fahren wir mit dem Rad zum Bahnhof und können es dort in der Gepäckaufbewahrung abgeben. Zuerst suchen wir wieder St. Pierre auf, denn dort starten auch die romantischen Kahnfahrten, die wir unternehmen. Es ist herrlich auf dem kleinen Flüsschen durch die Altstadt zu fahren und die durchweg gut gepflegten und stets reich blumengeschmückten Fachwerkhäuser zu sehen. Anschließend besuchen wir weitere Sehenswürdigkeiten, und auch hier leisten uns die Räder gute Dienste. Letztendlich finden wir einen Herrenausstatter, der gute XXL-Shirts wegen Saisonschluss zum Sonderpreis verkauft. Colmar hat sich in jeder Hinsicht gelohnt. In der Markthalle kaufen wir Reiseproviant und am Nachmittag geht es Richtung Bahnhof, denn wir müssen noch nach Mulhouse.

Brunnen in ColmarColmar Blumen

Hier liegt unser Hotelzimmer im 4. Stock, direkt oberhalb einer stark befahrenen Kreuzung. Zum Glück haben wir eine funktionierende Klimaanlage, denn bei offenem Fenster könnten wir nicht schlafen.Mulhouse hat keine so schöne Altstadt, dafür aber Fußgängerzone ohne Ende mit Boutiquen, Schuhgeschäften und so weiter. Wir lassen uns am Marktplatz im Restaurant „Alt Mulhouse“ nieder, aber es gibt nur Touristenküche, hohe Preise, kleine Portionen. Das Frühstück im „Inter Hotel Salvator“ war absolut mies und der Abschied Richtung Basel fiel uns nicht schwer. In Basel dann ein 2. Frühstück, die Preise noch deutlich höher als im Elsass.Wir finden den deutschen Bahnhof und unser Zug nach Köln steht auf der Abfahrttafel. Wir haben noch reichlich Zeit und machen einen kleinen Ausflug nach Weil am Rhein. Der Ort ist völlig von Schweizern verstopft, die am Samstag in Deutschland einkaufen, da die Preise in Deutschland erheblich niedriger sind und der Schweizer Zoll die deutsche Mehrwertsteuer erstattet.

Zurück am Bahnhof die große Überraschung: Unser Zug fällt aus. Streik! Der zuständige Beamte vertröstet uns auf einen später fahrenden ICE, aber der nimmt unsere Räder nicht mit. Einen Übernachtungsgutschein lehne ich ab, denn die DB möchte auf keinen Fall für das Essen in Basel aufkommen. So bleiben die Räder trotz langer Verhandlungen in der Schweiz zurück. Der Bahnbeamte verspricht, dass die Räder per Spedition zugestellt werden, was auch tatsächlich funktioniert hat. In Karlsruhe können wir dann in einen ICE nach Köln einsteigen und sind, dank der schnellen Verbindung, fast pünktlich in Köln. Ein Fahrradurlaub, wie wir ihn vorher auch noch nicht hatten. Da es so viel zu sehen gab, über 300 Fotos, wurden einige Radabschnitte durch Zugfahrten ersetzt und bergige Fahrten mit viel Gepäck sollten wir in Zukunft meiden.

Es gibt noch so viele Flusstäler in Deutschland die wir noch nicht kennen! Und wenn wir die alle “fertig haben”, bleibt noch die Fahrt am Rhein-Rhone-Kanal vorbei bis ans Mittelmeer. Smilie

Zweisam
Fachwerkhaus mit Bananenpalme
Colmar Blumenpracht