Neckar_2012

Hurra, endlich mal wieder Fahrradurlaub. Heute geht es mit dem IC von Köln nach Villingen im Schwarzwald und das ohne Umsteigen. Am Bahnhof Villingen erwartet uns dann ein Traum von Mann, der prächtig gekleidete Hader Karle, unser Übernachtungswirt für die erste Nacht. Sein Hotel liegt nicht direkt am Neckarradweg, hatte mir im Internet aber sehr gefallen und auf meine Frage, wie man am Besten zu seinem Hotel kommt, hatte er angeboten, uns mit dem Radl abzuholen. Seine sympathische Frau ist ebenfalls zugegen und nimmt uns das Gepäck ab. So machen wir zuerst einmal eine sachkundige Stadtführung, wobei uns der Hader Karle vieles über seine Heimat erzählt. Leider ist meine Kamera im Gepäck und so gibt es keine Fotos. Anschließend müssen wir „nur“ über einen 100 m hohen Bergkamm und sind auch „schon“ im Hotel.

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 Hier werden wir mit einer der Segnungen von Hader Karle vertraut gemacht: Hader-Bräu. Selbstgebrautes Bier in 3 verschiedenen Geschmacksrichtungen! Ein echter Genuss. Später zeigt er uns dann die Brauerei und das Bierbrauen. Natürlich mit entsprechenden Proben. Leichtbeschwingt geht’s dann zum Abendessen. Gutbürgerliche Küche, die uns sehr gut schmeckt. Zum „Absacker“ geht’s dann in die „Goasse Alm“, die Hotelbar. Hier zeigt sich dann die musikalische Vielfalt vom Hader Karle. Mit einigen Freunden zeigt er für seine „Kölner Gäste“ einige Ausschnitte aus seinem Programm „Hüttenzauber“. Der findet normalerweise immer am letzten Freitag im Monat statt. WDR4-Musik vom Allerfeinsten. Wir waren beide dem emotionalen Vortrag und der hingebungsvollen Musik völlig verfallen. Nochmals unseren Dank an Hader Karle und seine Musikfreunde. (Moni hat geweint)

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Nach einer traumlosen Nacht in einem sehr schönen Zimmer gibt es am nächsten Morgen ein sehr gutes Frühstück mit frisch zubereitetem Rührei und Schinken. Nun müssen wir wieder die 100 Höhenmeter überwinden und dann in Richtung Neckarquelle, denn hier geht unsere Tour los.

Das Wetter ist heiter bis wolkig und ideal zum Radfahren. Ein kräftiger Rückenwind macht das Radeln zum Hochgenuss. Der Neckarradweg ist gut ausgeschildert und bis Rottweil fahren wir völlig entspannt durch Wälder und Felder, immer leichtes Gefälle. Rottweil liegt, wie fast jede Stadt am Neckar, auf einem Berg und da muss hinaufgeschoben werden. Der mühsame Aufstieg lohnt sich, die Stadt gefällt uns sehr gut. Mittelalterliches Flair im Schwarzwald und wir essen beim Inder zu Mittag. Leider geht es danach erst mal weiter bergauf und immer weiter bergauf, bis es dann urplötzlich so steil nach unten geht, dass man absteigen und den Berg hinab schieben muss. Mit knapp 20 kg Gepäck beladen, werden die Räder bei schnellen Fahrten sehr instabil und sind schlecht zu steuern.

Direkt am Neckar angekommen, geht es dann weiter wieder durch die Fluss- und Auenlandschaft. Nun geht es nicht mehr nur bergab. Der Weg verlässt den Neckar immer wieder, um uns auch kleine Erhebungen mitnehmen zu lassen. Also stetiges absteigen, schieben und aufsteigen. Obwohl es kälter wird und uns die Sonne ver-lassen hat, verbrauchen wir unsere gesamten Wasservorräte und sind froh, als endlich das Ortseingangsschild von Oberndorf erscheint. Genau in diesem Moment bricht aus heiterem Himmel ein Starkregen aus, der uns innerhalb von Sekunden klatschnass macht, bevor wir uns unterstellen konnten. Aber auch das überstehen wir und machen uns nun mit einer der unangenehmen Eigenschaften von Oberndorf vertraut:

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Rottweil_1

Unsere nächste Unterkunft liegt oben auf’m Berg. Laut Hompage handelt es sich bei der „Pension Dölker“ um eine Metzgerei mit Biergarten und bietet sich für Radfahrer geradezu an. Nun, kein Radfahrer möchte gerne nach 50 km auf und ab am Neckar noch einen 150 m hohen Anstieg haben. Zumal wenn es keine Metzgerei, keinen Biergarten und vor allem keine „verkehrsberuhigte Lage“ gibt. Zwar steht ein einsames Tempo-30-Schild in der Nähe herum, aber es ist wohl Volkssport, jedem Anwohner zu zeigen, dass es besonders nächtens doch erheblich schneller und auch sehr laut geht.
Am nächsten morgen gilt es dann wieder den Berg herunter schieben und weiter geht es Richtung Rottenburg. Natürlich geht es immer bergauf /bergab, aber die herrliche Landschaft entschädigt für vieles. In Aistaig finden wir eine Metzgerei mit heißer Theke und den „Maultaschenspezialist“. Natürlich müssen wir bei beiden Kostpro-ben erstehen, die unser Mittagessen werden sollten.

 

Wasserschloß_Glatt_1
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Höhepunkt für heute ist das „Wasserschloß Glatt“. Sehr schön gelegen und gut gepflegt liegt im Schlosshof ein Cafe’, in dem riesige Tortenstücke für 3,00 € ange-boten werden.
Das wäre bei uns ein kompletter Kuchen. Sonja kann nicht widerstehen und dafür muss ich dann später bei der Rast im Park, alle Maultaschen selber essen. Schwerfällig fahren wir weiter über Sulz nach Horb. Hier kommen wir um 15:30 h an. Laut Plan wären wir gegen Mittag hier gewesen und noch sind wir auch nicht in der Nähe unseres Zieles. Dummerweise hatte ich bei der Wahl des nächsten Hotels nicht auf die Höhenangabe geachtet. Als Rheinländer erscheint einem das nicht sooo wichtig. Mittlerweile hatte ich jedoch herausgefunden, dass unser nächstes Hotel über 200 m höher lag, als der Neckar.

Wir sind also von Horb aus mit dem Zug zur Bahnstation Bad Niedernau, etwa 10 km, gefahren und haben dann mit dem Aufstieg nach Rottenburg-Dettingen begonnen. Vorher haben wir uns noch mal mit 3 Litern Wasser eingedeckt. Es war sehr mühsam, denn wir hatten schon gut 40 km in den Beinen und oben angekommen war das Wasser alle.
Unser Hotel „Landgasthof zum Löwen“ stellt sich im Web als fahrradfreundlich dar, aber ist es radfahrerfreundlich, wenn man 5 km steil den Berg hinaufschieben muss. Nun ja, ich hätte besser aufpassen sollen. Was uns dann aber doch geärgert hat, war das Abendessen. Mit 14,95 € nicht das Billigste auf der Karte, wurde der „Grillteller mit acht Fleischsorten“ empfohlen. Es waren 3 verschiedene Frikadellen/Ćevapčići, alles billige TK-Ware. Eine Frikadelle war auf meinem Teller noch halbgefroren. Dazu gab es einen Fleischspieß minderer Qualität und ausgebratenen fetten Speck. Der Wirt zapfte mein Bier an und ging dann mit seinem Bier und voll gepacktem Teller vor das Fernsehen, um selbst zu essen. Mein Bier kam erst sehr viel später. Genießbar waren einzig die Pommes, der Rest war eine Zumutung. Allerdings war es der einzige Gasthof im Ort und somit alternativlos.

Plochingen_2
Plochingen_1

Am nächsten Morgen dann eine traumhafte Abfahrt nach Rottenburg am Neckar. Hier mussten ein neuer Sattel für Sonjas Rad gekauft werden, eine Batterie für die Armbanduhr und für den Kilometerzähler. Leider hat der Junge im Fahrradladen so unglücklich an dem Tacho herumgefummelt, dass er nie wieder richtig funktionierte. 
Heute ist es sehr warm und schon früh ist das Wasser wieder alle. Wir werden heute 6 Liter verbrauchen. Gut gestärkt mit Kaffee radeln wir eine sehr schöne Strecke bis Tübingen, mit Abstand die schönste Stadt auf unserer Reise.
Überall Blumen, schön restaurierte Häuser aus dem Mittelalter, ein prächtiges Rathaus, Eisdielen mit leckerem Eis, kleine Gässchen und viele kleine Details lassen uns viel zu lange hier verweilen. Weiter geht es nach Wernau über Nürtingen. Zwischendurch stärken wir uns mit Würstchen aus dem Pennymarkt. Leider existieren in den meisten kleinen Städtchen keine Metzger/Bäcker mehr, so dass man zu meinem großen Bedauern immer auf Discounter angewiesen ist. Außerdem kaufe ich neue Turnschuhe. Die Alten sind wegen „Regenwasser-schaden“ nicht mehr zu gebrauchen.

Das Badhotel in Wernau ist sehr schmucklos, Industriebau aus den 70-ern, hat aber sehr schöne, große Zimmer, liegt sehr ruhig und das Abendessen schmeckt uns auch.

Aistaig_2
Oberndorf_2

Am Mittwoch geht es erst mal nur wenige Kilometer nach Plochingen. Hier wird der „junge Neckar“ zum Mann, denn ab hier beginnt die kommerzielle Schiffart. In 23 Staustufen kann man von hier aus per Schiff den Rhein erreichen. Zu diesem Zweck ist der Neckar teilweise kanalartig ausgebaut und ist eher ein Industrie-bauwerk als ein Fluss. Die Fahrt nach Esslingen geht denn auch nicht mehr durch Wald und Wiesen sondern kilometerlang durch Industriegebiete und an einem der vielen Atomkraftwerke vorbei.
Esslingen selbst hat wieder eine wunderschöne, historische Altstadt, wo wir gerne bei einem Kaffee verweilen und uns das Treiben auf dem Markt anschauen. Sonja kauft frisches Obst ein. Nun verlassen wir den Neckarradweg und fahren mit dem Zug nach Ludwigsburg.
Der Radweg über Stuttgart/Bad Cannstadt nach Ludwigsburg führt fast nur durch Industriegebiet und das müssen wir nicht haben. (Daimler, Bosch, Porsche, Audi usw.)

Esslingen_2 Esslingen_1

Ludwigsburg, bekannt als barocke Stadt mit dem großen Marktplatz, dem Schloss, der Favorite und dem Seeschloss, hat tatsächlich viel zu bieten und wir verbraten mal wieder viel mehr Zeit als geplant. Deshalb müssen wir Marbach, die Schillerstadt, rechts liegen lassen und fahren in gerader Linie zum Hotel Ochsen in Pleidelsheim.
Leider gibt es hier kein Essen und uns wird ein „Italiener um die Ecke“ empfohlen. Ein kleiner Laden mit Tischen vor der Garage, aber sehr lecker. Obwohl ausgehungert, schaffen wir beide unsere Pizza nicht und lassen uns die Reste einpacken. Am nächsten Morgen hat sich der enthaltene Knoblauch jedoch so breit gemacht, dass an ein Aufessen nicht mehr zu denken war.

Während des Essens fährt ein riesiger Mercedes-SUV quer über den Parkplatz haarscharf an unserem Tisch vorbei. Während ich noch überlege, ob es sich lohnt, mich aufzuregen, kommt der Wirt und erklärt ganz aufgeregt, das im SUV sei Bocca. Ich verstehe nur, keine Pizza sondern Saltimbocca und frage, was das mit dem Auto zu tun hat. Es dauert ne Weile, bis ich kapiert habe, dass Bocca nix mit Essen zu tun hat, sondern ein Fußballspieler aus Stuttgart ist, der hier zentral seine Autos abstellt, darunter div. italienische Sportwagen. Na ja, irgendwie müssen ja auch die Fußballspieler zur Arbeit kommen. Aber mit 4 Autos?

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Ludwigsburg_1

Gut ausgeschlafen erwachen wir am Donnerstag und stellen fest: Es hat die Nacht geregnet, alles draußen ist nass. Wir haben heute mit 65 km die längste Etappe vor uns und machen uns gegenseitig Mut. Tatsächlich: Erst am Abend gibt es einige Regentropfen, aber da sind wir schon in Sicherheit. Um 7:45 h geht es los Richtung Gundelsheim. Nächste größere Stadt ist Besigheim und auf der Suche nach einem Café sind wir auch schon durch. Hier trifft die Renz auf den Neckar, der dadurch merklich breiter wird. Es ist sehr kühl heute und es sieht immer nach Regen aus, die Sonne lässt sich nicht blicken. Nach den 30° am Mittwoch braucht es eine Weile, bis die Muskeln genügend Biss haben. In Lauffen entscheiden wir uns, das Industriegebiet von Heilbronn mit dem Zug zu umfahren und steigen in Neckarsulm wieder aus. Hier wird gerade ein Riesenvolksfest vorbereitet und alles ist lärmend und nervig. So stoßen wir wieder auf unseren Radweg und kommen über Bad Wimpfen nach Gundelsheim, „Zum Lamm“. Leider ist hier heute Ruhetag. Ich hätte gerne die Küche genossen, denn der Inhaber macht mächtig viel Wind um seine Kochkünste. Aber wir werden mit einem schönen Zimmer entschädigt. Alle Zimmer haben eigene Namen. So gibt es den „Hinterhof“ oder die „Schreckenskammer“, aber unser Zimmer heißt „Liebeslaube“. Abends essen wir sehr gut in der „Komturei“, das Restaurant zum Schloss Horneck.
Burg HornbergBurg Gutenberg

Freitag, unser letzter Reisetag. Auch heute ist es kühl und sonnenlos, aber schnell wird uns warm, denn der Weg geht mal wieder rauf und runter. Traumhafte Waldrouten aber auch stückweise Radwege direkt an der viel befahrenden B27.
Einige Burgen säumen unseren Weg, aber auch das AKW Obrigheim.Gegen 13:00 h sind wir in Eberbach, eine sehr schöne Stadt mit vielen alten Gebäuden. Hier essen wir Zwiebelkuchen und Eis. Es ist nicht warm genug, um lange herumzusitzen. Deshalb geht es gleich weiter nach Hirschhorn, dem letzten Übernachtungsort.

Wir sind im Haus La-Belle angemeldet und tatsächlich öffnet uns Bella, eine sehr gepflegte ältere Dame, die sich rührend um uns kümmert. Wir haben ein großes Zimmer mit Aufenthaltsraum bzw. eine kleine Wohnung und das Frühstück am nächsten Morgen ist fürstlich. Über das Wochenende wird hier in Hirschhorn das „Ritterfest“ gefeiert und irgendwie haben alle Gaststätten genug mit dem Aufbau ihrer „Fressbuden“ zu tun, so dass wir nirgends etwas Angemessenes für den letzten Abend zu Essen finden.

Obwohl wir hier mitten im Odenwald sind und der Odenwald bekannt für seine leckeren Forellen ist, finden wir nur Tintentischringe oder gebackenen Seelachs, alles „Kram“ aus der Tiefkühltheke. Unsere Zimmerwirtin empfiehlt uns das Lokal „Zur Burg Hirschhorn“, dessen Koch schon in der Schweiz gearbeitet haben soll. Aber als was? Bestimmt nicht als Koch.

Was soll’s. Wir haben alles hervorragend überstanden, keine Pannen und die Gesundheit hat auch mitgespielt.

Samstag geht es 10 km nach Neckarsteinach und von dort mit dem Schiff nach Heidelberg. Noch immer ist es recht kühl, aber es bleibt trocken. In Heidelberg essen wir in der Mensa zu Mittag. Sehr lecker und preiswert. Da sollte der „Schweizer Koch“ mal gucken, wie man kochen kann, ohne dass einem vorgefertigte, vakuumierte Produkte zur Verfügung stehen.

Wir lassen uns ein bisschen in der Stadt treiben, trinken zum Abschluss noch einen Trollinger. Danach geht es zum Hauptbahnhof, Richtung Köln.

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Mittagspause

Zum Abschluss noch der Versuch einer Antwort auf die meistgestellte Frage: Warum macht ihr das mit dem Rad? Ihr könntet doch auch ans Meer fahren oder so. Wir machen es, weil es Spaß macht. Am frühen Morgen durch unverbrauchte Natur zu radeln, Eichhörnchen zu sehen, oder einfach mal nur an einem Bachlauf zu sitzen. Die Gemeinsamkeit, Dinge zu erleben und sich gemeinsam zu erfreuen, gibt viel Kraft für den Alltag. Eine Woche unterwegs sein, alles was man braucht, auf dem Rad mitführen, täglich alles aus und wieder einpacken fördert die Toleranz in der Ehe und auch die Liebe. Meiner Frau Sonja sei gedankt.

Schlußfoto

Ach ja, noch eine Frage: Wie viel nehmt ihr denn bei so einer Tour ab? Gar nichts, wir sind froh, wenn wir nichts zunehmen.

Ich, die Ehefrau Sonja des Verfassers des Berichtes, möchte auch meinem Mann danken, dass er immer auf mich gewartet hat, wenn ich wieder einmal langsamer unterwegs war, dass er die Tour so toll geplant hat und es letztendlich auch alles so geklappt hat, wie er sich das vorgestellt hat. Bemerken möchte ich noch, dass die Leute auf unserer gesamten Strecke sehr hilfsbereit und nett waren, was es bei uns im Rheinland leider immer weniger gibt. Ich freue mich schon auf die nächste Fahrradtour mit meinem Mann.

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